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Wenn Sie Renate Künast sind, lesen Sie bitte folgenden offenen Brief:

Betr: Softwarepatent-Direktive auf Liste der A-Punkte im Landwirtschaftsrat

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Sehr geehrte Frau Ministerin Künast!

Auf der Ministerratssitzung kommenden Dienstag und Mittwoch steht die Richtlinie KOM 2002/0047 (KOD) "über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen" (Softwarepatent-Richtlinie) in der Liste der A-Punkte.

Diese Liste darf nicht angenommen werden.

Greifen Sie bitte ein, wenn vom Ratsvorsitzenden nach Annahme der A-Punkt-Liste gefragt wird (gleich anfangs), und verlangen Sie, die Annahme der Ratsttexte zur Richtlinie KOM 2002/0047 wegen Diskussionsbedarf von der Liste der A-Punkte zu nehmen.

Unterstützung ist von ES, IT, PL, AT, BE, LV zu erwarten.

Denkbar ist eine Umwandlung in einen B-Punkt mit Neuabstimmung oder eine Verschiebung, wobei letztere angemessener ist.

Der COREPER-Beschluss, die Softwarepatent-Richtlinie zur Annahme ohne Diskussion und Abstimmung freizugeben, widerspricht der Geschäftsordnung des Rates der EU sowie dem Amsterdamer Vertrag hinsichtlich der Unterrichtung der einzelstaatlichen Parlamente.

Begründung für die Streichung von der Liste der A-Punkte:

  1. Polens Regierung hat im Mai und erneut Anfang November bekräftigt, dass sie den Ratsvorschlag nicht unterstützen kann. Damit fehlt dem Ratsvorschlag aufgrund der seit 1. November geltenden Stimmengewichtung eine qualifizierte Mehrheit.
  2. Auch die Niederlande sind durch ihr Parlament zur Enthaltung aufgefordert worden, was ebenfalls (auch ohne Polen) bedeutet, dass der derzeitige Ratsentwurf bei einer Neuabstimmung keine qualifizierte Mehrheit mehr finden dürfte.
  3. Weder von Polen noch von den Niederlanden hat es seit dem 1. November entschiedene Unterstützung für den Ratstext gegeben.
  4. Die Neuabstimmung ist nötig, da die Geschäftsordnung des Rates eine qualifizierte Mehrheit zum Zeitpunkt der offiziellen Verabschiedung verlangt.
  5. Der Gesetzestext des Rates ist von den Fraktionen des Deutschen Bundestags als unzureichend kritisiert worden. Er genügt insbesondere nicht den Anforderungen an Klarheit und Ausgewogenheit, die an einen Gesetzesentwurf mit dermaßen weit reichender Bedeutung gestellt werden müssen.
  6. Hinzu kommt, dass die zum Ratsentwurf gehörigen Erklärungsdokumente erst Anfang Dezember verfügbar wurden, so dass die laut Zusatzprotokoll zum Amsterdamer Vertrag nötige sechs-Wochen-Frist zur Konsultation nationaler Gremien zum Zeitpunkt der Ratssitzung erst zur Hälfte verstrichen sein wird. Wie wichtig dies ist, zeigt bereits die nach der COREPER-Sitzung (15. Dezember) eilig einberufene Sondersitzung des niederländischen Parlaments.
  7. Die neuen Erklärungsdokumente sind für die Auslegung des Ratsstandpunktes durch das Parlamentes maßgeblich, und sie fügen neue Aussagen hinzu, die für die Bundesregierung unakzeptabel sein müssen:
    Der Ratspapier lehnt sämtliche Änderungsvorschläge des Europaparlaments ab. Anstelle einer Begründung wird lediglich lapidar angemerkt, die Parlamentsänderungen seien "nicht mit TRIPs vereinbar" oder spiegelten nicht die "gängige Praxis" wieder.
    1. Die schriftlich dokumentierte Auffassung aller Bundestagsfraktionen hält dem ersten Argument entgegen, dass TRIPs ausdrücklich Urheberrechtsschutz für Software verlangt, nicht aber eine Ausdehnung des Patentwesens auf Software.
    2. Den sowohl vom Justizministerium als auch von allen Bundestagsfraktionen geäußerten Sorgen über die Erteilungspraxis des Europäischen Patentamtes zu entnehmen, dass die "gängige Praxis" eben das ist, was durch die Richtlinie korrigiert werden soll, nicht das, woran die Richtlinie angepasst werden muss.
  8. Das Protokoll über die Rolle der nationalen Parlamente im Amsterdamer Vertrag ermutigt ausdrücklich zu einer Beteiligung der nationalen Parlamente am EU-Gesetzgebungsprozess und sieht keineswegs vor, den Ministerrat davon auszunehmen.
    Vor diesem Hintergrund ist es unzulässig, die Einbringung der Standpunkte mehrerer nationaler Parlamente (NL und DE) in die Entscheidungsfindung des Rates behindern zu wollen.
  9. A-Punkte müssen laut Artikel 3 der Geschäftsordnung des Rates zwei Wochen im voraus auf einer "provisorischen Tagesordnung" mitgeteilt werden. Eine Einfügung in letzter Minute, wie im vorliegenden Fall offenbar geplant, ist unüblich und nur mit allseitigem Einverständnis möglich.

Fazit: Ohne Neuabstimmung und Einbringung der Standpunkte der Parlamente von NL und DE in die Entscheidungsfindung sind die derzeitigen Ratstexte nicht legitimiert.

Jeder Versuch einer Verabschiedung ohne Legitimation ist mit der Geschäftsordnung des Rates der EU nicht vereinbar.

Es ist möglicherweise fahrlässig und sicherlich nicht konstruktiv, dem Parlament die Aufgabe zuzuschieben, die jetzige Form der Richtlinie durch einen komplexen Abstimmungsprozess, dem in zweiter Lesung ungleich höhere Hürden gesetzt sind, zu korrigieren.

Die Konsequenzen einer hastig verabschiedeten und zu weit gefassten Richtlinie wären unabsehbar. Daraufhin erteilte bzw. angenommene Patente könnten praktisch nicht mehr aberkannt werden. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen IT-Wirtschaft würde erheblich geschwächt werden. Angesichts einer 20-jährigen Patentlaufzeit würde es allen Beteiligten viel schwerer fallen, die Konsequenzen eines solchen Fehlers zu korrigieren, als ihn jetzt zu vermeiden.

Auch auf den Verbraucherschutz hätte eine solche Softwarepatent-Richtlinie große Auswirkungen. Bestehende monopolistische Strukturen auf dem Softwaremarkt würden ausgebaut. Eine geringere Produktvielfalt, steigende Abhängigkeit von wenigen Anbietern sowie höhere Kosten wären die Folge. Freie Software, wie das Computer-Betriebssystem Linux, bietet Anwendern Alternativen, die zunehmend auch in der öffentlichen Verwaltung eingesetzt werden. Ebenso wie diese alternativen Entwicklungsmodelle wären kleine und mittelständische Unternehmen von Verdrängung bedroht. Dies gefährdet Wachstum und Arbeitsplätze in einer Zukunftsbranche.

Aufgrund der Geschäftsordnung des Rates können Sie die Softwarepatent-Richtlinie auch ohne Begründung von der Tagesordnung nehmen lassen.

Weitere Informationen finden Sie unter

Wenn Sie nicht Renate Künast sind, dann gehts für Sie hier weiter.